@hpz Reginald Patterson wird sich mit seinem Ersparten nach Tenerife “absetzen”.
Das kühle Dezemberlicht lag wie ein feiner Schleier über dem Hafen von Santa Cruz de Tenerife, als Reginald Patterson die Gangway der SS Britania hinabstieg. Sein Tweed-Anzug wirkte unter der kanarischen Sonne deplatziert, sein Gepäck – eine Staffelei, ein Koffer voller Glasplatten und eine abgenutzte Kamera – verriet den mittellosen Gentleman.
Reginald war im Dezember 1928 aus England und seinen Erinnerungen geflohen, getrieben von dem Wunsch, das Erlebte zu vergessen. Die harte Realität holte ihn schnell ein: Seine Mittel waren begrenzt.
Sein erster Anlaufpunkt war der reiche Norden, Puerto Orotava (das heutige Puerto de la Cruz). Hier gab es eine etablierte britische Gemeinde, und Reginald hatte einen Plan: Er würde sich als Fotograf für die High Society verdingen.
Er fand eine schlichte pensión in der Altstadt, fernab der prunkvollen Hotels Taoro und Monopol. Mit seinem Charm gelang es ihm sich bei den wohlhabenden englischen Damen vorzustellen. „Ein wahrer Künstler, der die Essenz der Insel einfängt“, schwärmten sie.
Reginald verbrachte die nächsten Wochen damit, die „Essenz“ zu fotografieren: die Damen beim Afternoon Tea auf der Terrasse des Taoro, malerische Ausblicke auf den Teide aus dem Orotava-Tal, und die exotischen Blüten der Jardín Botánico. Die Honorare waren gut.
Ende Jänner 1929, mit einem bescheidenen finanziellem Polster ausgestattet, tätogte er sein großes Investment: ein Esel. Er nannte ihn „El Filósofo“ (Der Philosoph) – wegen seines stoischen Ganges und des stets nachdenklichen Ausdrucks.
El Filósofo wurde mit seinen Habseligkeiten beladen, dann zog Reginald los, weg von den polierten Hotels und den englischen Teepartys, hinein in das raue, unberührte Hinterland. Vielleicht würde die Abgeschiedenheit seine Träume vertreiben?
Ein paar Tage später, im Anaga-Gebirge, stieß Reginald auf eine kleine Ansammlung von Terrassenfeldern, umgeben von zerklüfteten Felsen. Dort, fast unsichtbar in die Bergwand eingelassen, lag das kleine Dorf Chinamada. Es war die Heimat armer kanarischer Bauern. Ihre Behausungen waren schlichte, aber gepflegte Höhlenwohnungen (casas cuevas).
Die Sprachbarriere war massiv. Die Bauern sprachen nur Spanisch und ein wenig Kanarisch. Reginald konnte kaum mehr als „Hola“ und „Gracias“ stammeln. Doch er hatte etwas, das auf dem Land universell verstanden wurde: Fleiß und Respekt.
Ein alter Landwirt namens Francisco (Don Pancho) erbarmte sich seiner und ließ Ihn bei sich unterkommen. Ein stummer Pakt wurde geschlossen. Reginald half, Wasser zu tragen, die Maultiere zu versorgen und Gofio zu mahlen. Im Gegenzug erlaubte ihm Don Pancho, seine Staffelei in einer kleinen, ungenutzten Nische einer Höhle aufzustellen. Es war kühl, dunkel und roch nach feuchtem Stein und Erde.
Reginald malte stundenlang: das harte Licht, die runzligen Gesichter der Frauen, die Ziegen, die an kargen Büschen zupften. Er ernährte sich von Papas arrugadas, Ziegenkäse und dem omnipräsenten Gofio-Brei. Er war zwar arm und schmutzig, doch glücklicher als er seit langem gewesen war.
So verbrachte Reginald den gesamten Februar in Chinamada bei Don Pancho. Doch der Frieden sollte leider nicht anhalten. Nach einigen Wochen fingen die Albträume wieder an. Er wusste er musste sich seinen Dämonen stellen.
Reginald vollendete die Portraits der Bewohner von Chimada und händigte diese den Bewohnern aus. Mit vielen Gesten und Worten brachte er Ihnen das französische Wort “Fusain” bei. “Charcoalportrait” war ihm dann doch zu schwierig.
Nach einem tränenreichen Abschied, machte sich Reginald mit Filósofo wieder auf den Weg nach Puerto Orotava. Den Esel hatte er, ob seiner störrischen Art, hassen gelernt. Kein Wunder dass dieser so billig gewesen war.
Für die Überfahrt nach London musste er fast sein ganzes Erspartes ausgeben, doch er war froh den Esel losgeworden zu sein.
( Danke LLM für 90% des Textes )